Ergänzung: Regensensor

Im Testbetrieb wurde deutlich, dass die Aufzeichnung auch der aktuellen Niederschlagsmenge am Messort äußerst wünschenswert ist. Die Messanlage wurde daher durch den Anschluss eines speziellen, selbstkonstruierten Regenmengenmessers ergänzt. Zu dessen Technik und Anschluss an die Messanlage existiert noch ein Laborbericht aus der damaligen Zeit: Goedecke-1986c.

Bei Regen werden die in der unteren Atmosphäre befindlichen radioaktiven Substanzen ausgewaschen, und erreichen die Umgebung des Strahlungssensors. Dieser registriert dadurch einen zeitweiligen Anstieg der Umgebungsstrahlung.

Dieser Effekt kann durch in der Luftmasse enthaltene künstliche radioaktive Stoffe verursacht werden, wie sie etwa aus einer mit der Messanlage überwachten Atomtechnischen Anlage aus deren Schornstein, oder Teilen der Anlage selbst abgegeben werden können.
Es gibt jedoch auch stets natürlich entstandene radioaktive Stoffe in der fraglichen Luftmasse, die ebenfalls bei Regen in der Nähe des Strahlungssensors niedergehen.

Um entscheiden zu können, ob die bei Regen erfolgende Zählratenerhöhung durch erhöhte Abgaben aus der überwachten Atomanlage zustande kommt, oder ob sie eine natürliche Ursache hat, ist es offensichtlich erforderlich:

Glücklicherweise ist von den fraglichen natürlichen radioaktiven Stoffen genau bekannt, wie sie entstehen, woher sie kommen, und um welche Strahler es sich handelt:

Entstehung von Radon-222 im Boden, Ausgasung aus dem Boden, Zerfall in der Atmosphäre, und Auswaschung der radioaktiven Folgeprodukte mit dem Regen

Natürliches Uran-238 (Halbwertszeit 4,468·109 Jahre) befindet sich seit Urzeiten in Spuren im Erdboden, und unterliegt dort dem normalen radioaktiven Zerfall. Alle Radionuklide der sukzessive aus dem Mutternuklid entstandenen Uran-Radium-Zerfallsreihe bis incl. zum Radium-226 besitzen kürzere Halbwertszeiten, so dass sich die gezeigte Zerfallskette im ungestörten Boden im sog. Zerfallsgleichgewicht befindet: die Folgenuklide sind mit der gleichen Aktivität vorhanden wie das Mutternuklid Uran-238, da sie selber praktisch so rasch zerfallen, wie sie nachproduziert werden.

Von besonderer Relevanz ist der Strahler Radium-226. Dies ist das von Marya Sklodowska Curie (unter Mithilfe ihres Ehemannes Pierre Curie) erstmals 1898 aus mehreren Tonnen des Minerals Pechblende (sowie aus hiervon nach der Extraktion von Uran übriggebliebenem Aufbereitungsabfall) extrahierte, neu entdeckte Element (Halbwertszeit 1602 Jahre).

Durch den Zerfall des Radium-226 entsteht das Radon-222, ein Edelgas, das sich als solches im Boden nicht chemisch bindet, und deshalb aus dessen Poren in die Atmosphäre ausdiffundiert. Dort zerfällt es mit seiner Halbwertszeit von 3,8 Tagen in die im Bild gezeigten Folgenuklide, bei denen es sich wieder um Feststoffe handelt.
Diese sedimentieren in der Luftmasse, in der sie erzeugt wurden, langsam nach unten, bzw. sie werden bei Regen schlagartig aus der Luft ausgewaschen. Im letzterem Fall verursachen insbesondere die Beta- und Gammastrahler Blei-214 und Wismut-214 eine Zählratenerhöhung, wenn sie sich plötzlich im Regenwasser in der Nähe des (im Bild rot gezeigten) Detektors befinden. (Zur Strahlenbelastung des Menschen leistet allerdings die Einatmung der Polonium-Isotope wegen der von ihnen beim Zerfall ausgesandten Alphastrahlung einen wesentlich höheren Beitrag als die externe Gammastrahlung von Blei-214 und Wismut-214.)

Die nachstehende Grafik illustriert diese Vorgänge anhand des Zeitverlaufs des Photonenanteils der Ionisierenden Umgebungsstrahlung während eines Regenereignises am Ort der von mir betriebenen Messstation B1 - Bremen-Schwachhausen in der Nacht vom 12.09.2015 zum 13.09.2015.

Zeitverlauf des Photonenanteils der Ionisierenden Umgebungsstrahlung während eines Regenereignisses am Ort der von mir betriebenen Messstation B1 - Bremen-Schwachhausen in der Nacht vom 12.09.2015 zum 13.09.2015

Die obere - blaue - Kurve zeigt den Zeitverlauf der mit einem Geiger-Müller-Zählrohr in 5-Minuten-Intervallen gemessenen Nettodosis NET in Nanosievert pro Stunde (nSv/h) (kalibriert für Strahlung von Cs-137). Gegen 22 Uhr beginnt es zu regnen (untere - rote - Balkengrafik der Niederschlagsmenge NIE in mm/h). Durch diesen Regen mit den von ihm aus der Atmosphäre ausgewaschenen natürlichen Gamma-Strahlern steigt die obere - blaue - Kurve der Strahlenintensität von ihrem "Ruhewert" bei ca. 103 nSv/h bis auf ein Maximum von ca. 135 nSv/h an. Bis 23:45 ist der überwiegende Anteil des Regens gefallen, und ab diesem Zeitpunkt fällt auch die blaue Kurve wieder ab (weil die in der Nähe des Detektors niedergegangenen radioaktiven Strahler Blei-214 und Wismut-214 mit den ihnen eigenen Halbwertszeiten wieder zerfallen (Blei-214: 26,8 min, Wismut-214: 19,9 min). Eine Kurvenanpassung an die - obere, blaue - Kurve der Umgebungsstrahlung für die Zeit von 12.09.2015 23:45 Uhr bis 13.09.2015 12:00 Uhr (unter der Annahme, dass eine einfache Abklingzeitkonstante vorliegt) ergibt für diesen Regenguss von etwa 5,33 mm Niederschlag eine gemeinsame Abkling-Halbwertszeit der Strahler von ca. 44,85 Minuten. Diese nach dem Zerfallsgesetz berechnete, an die blaue Kurve optimal angepasste Fitkurve ist im Bild grün dargestellt.

Es sei angemerkt, dass die hier vorgenommene Anpassung einer monoexponentiellen Abklingkurve dem real vorliegenden Sachverhalt nur näherungsweise entspricht, ebenso wie die ebenfalls denkbare und mögliche Anpassung einer biexponentiellen Zerfallskurve (wir haben es ja mit zwei Strahlern in einer Zerfallskette zu tun). Der theoretisch zu erwartende Verlauf des Abklingens der Strahlungsintensität muss u.a. berücksichtigen:

Dieses Geschehen bewirkt eine deutlich komplexere Abklingfunktion als sie ein einfacher mono- oder biexponentieller Zerfall beschreibt.